Eingetaucht, gepudert und mit Rosinen gespickt

Ein Tag als historische Bäckerin*

Die Sonne strahlt über Dresden. Fast so, als wüsste sie, dass es heute besonders feierlich wird. Ich bin heute schon früh auf den Beinen und erlebe eine Stadt, die ganz verwandelt ist. Irgendwas liegt in der Luft – geheimnisvoll, aufregend, festlich, vielversprechend. Heute ist das Dresdner Stollenfest! Alljährlich am Samstag vor dem zweiten Advent feiert die Stadt ihr wohl geschmackvollstes Produkt und begibt sich auf eine Reise in die Zeit August des Starken – als der Stollen zum Riesengenuss wurde.

 

Aber zurück zum Hier und Jetzt.

Auf dem Weg zum Treffpunkt des Umzuges, an dem ich in diesem Jahr teilnehme, sind erst wenige Menschen unterwegs. Ein paar ganz ausgeschlafene Touristen, ein paar letzte Nachtschwärmer. Und auf einmal ein Pferdegespann. Wie aus einer anderen Zeit rumpelt das Fuhrwerk auf der Straße, vorbei am modernen Sächsischen Landtag. So unwirklich die Szenerie, so passend ist doch dieser Vorbote: Festtagsstimmung zieht auf über Dresdens historischen Dächern.

 

Die Reise beginnt

Vor dem Georgentor sind inzwischen doch schon einige Menschen versammelt – erste Besucher und Umzugsteilnehmer. Aber ich habe keine Zeit, noch länger zu verweilen, sondern eile zum Swissôtel. Das liegt nicht nur direkt an der Umzugsstrecke, sondern wird auch für mich und andere eine Art Zeittor sein. Fein säuberlich hängt schon alles bereit: Kleider, Häubchen, Hemden, Schürzen und diverse Bäckerutensilien werden unter aufgeregtem Geschnatter anprobiert, auch mal getauscht und zurechtgerückt. Einer nach dem anderen verwandelt sich so in eine historische Bäckerfigur. In der Lobby des Hotels werden wir von den Hotelgästen mit Staunen und Freude begrüßt. Wir sehen allesamt schon ziemlich toll aus, die Kostüme sind wunderbar authentisch – eben wie aus einer anderen Zeit. Und so eine Bäckersfrau von anno dazumal sieht man in Dresden auch nicht alle Tage.

 
 

Schnell noch ein Selfie

Nur wenige Schritte weiter suchen wir den Platz unseres Bildes »Gründung der Bäckerinnung« und stellen uns direkt im Fürstenzug bereit. Was für eine fantastische Kulisse! Das scheinen auch zahlreiche Touristen zu denken, die uns immer wieder einzeln und in Gruppen fotografieren, sogar Selfies mit uns machen und ganz begeistert von der Szenerie sind. Die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel, die Umzugsteilnehmer – von Spielmannszügen bis Handwerksdarstellern – sind rund um den Festplatz versammelt.

 

Das Lampenfieber steigt

Auf dem Schloßplatz erreicht das Bühnenprogramm mittlerweile seinen Höhepunkt: Der Riesenstollen wird enthüllt. Nur kurze Zeit später steigt das Stollenmädchen, das auch heute wieder ganz besonders zauberhaft aussieht, in die Kutsche direkt vor unserer Bäckergruppe ein. Das ist das Zeichen: Gleich geht es los. Zum Glück, denn so richtig warm sind unsere Kostüme nicht. Schließlich standen die Bäckersfrauen und Bäcker früher in der warmen Backstube, und nicht Anfang Dezember auf kaltem Kopfsteinpflaster. Rund um uns herum sind die Straßen und Gassen mittlerweile auch gut gefüllt – zahlreiche Schaulustige sind gespannt auf das Spektakel. Ein bisschen fühlen wir uns alle wie kleine Stars, auch wenn die wirklichen Stars natürlich andere sind – der Riesenstollen, der Kurfürst, das Stollenmädchen und die Bäcker und Konditoren, die den Dresdner Christstollen heute zu dem gemacht haben, was er ist: ein qualitätsvolles Weihnachtsgebäck, das auf der ganzen Welt bekannt ist. Und trotzdem ist es ein tolles Gefühl, wie begeistert die Besucher sind: ein Winken nach links, ein Grüßen nach rechts, Fähnchenwedeln und Fotoknipsen an jeder Ecke. So ziehen wir also durch die menschengesäumten Gassen rund um die Frauenkirche, bis wir schließlich kurz vor dem Altmarkt unsere Route beenden.

*Ein Text von Anne Lucas | aus unserem Markenmagazin 2015